SVP Sektion Müntschemier

Vernehmlassung

Revision des Parlamentsrechts

14.01.2008

Grundsätzliche Bemerkungen

Die SVP Kanton Bern begrüsst die Revision und erklärt sich mit der Vorgehensweise, mehrere Anliegen in einem Schritt in die Gesetzgebung aufzunehmen, einverstan­den. Die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die gesetzgeberische Ver­ankerung von 14 definierten Kernpunkten wird als richtig erachtet. Mit verschiedenen Vorschlä­gen sind wir auch inhaltlich einverstanden. Gegenüber mehreren Punkten bringt die SVP Kanton Bern jedoch Anregungen, Vorbehalte oder eine andere Meinung an.

Art. 13 Abs. 3 und 4 Grossratsgesetz GRG

Wir erachten die Differenzierung zwischen Sondersessionen (zur Bewältigung der Geschäftslast) und ausserordentlichen Sessionen (auf besondere Ereignisse) als zweckmässig. Der Entscheid zur Einberufung von speziellen Sessionen sollte indes­sen den Organen des Parlamentes (Grosser Rat, Präsidentenkonferenz oder Ratspräsidium bzw. ein Viertel der Ratsmitglieder) vorbehalten bleiben. Für den Regierungsrat ist ein Antragsrecht an die zuständigen Organe des Grossen Rates vorzusehen.

Art. 14 GRG

Einverstanden, keine Bemerkungen.

Art. 17 Abs. 2 GRG

Grundsätzlich sind wir mit den Bestimmungen von Art. 17 einverstanden. Wir gehen davon aus, dass auch erweiterte Kommissionen zur Beratung von Geschäften von besonderer Bedeutung nach der Stärke der Fraktionen zusammengesetzt werden. In andern Worten: Es könnte nicht angehen, dass für die Vorberatung von besonders wichtigen Geschäften (mit Stimmrecht zur Formulierung von Anträgen an das Parla­ment) die proportionale Zusammensetzung nach Fraktionsstärke keine Anwendung findet und unterlaufen wird. In diesem Sinn gehen wir davon aus, dass Art. 48a der Ge­schäftsordnung (Sitzungsteilnahme während Eintretens- und Grundsatzdebatten sowie Anhörungen für in den Kommissionen nicht vertretene Fraktionen ohne Stimm- und Antragsrecht) weiterhin gültig bleibt.

Art. 17 Abs. 4 GRG

Die Erfahrung zeigt, dass die Besetzung von Kommissionspräsidien Fragen und Probleme aufwirft. Das Büro des Grossen Rates bemüht sich mit recht gutem Erfolg, die Kommissionspräsidien auf der Zeitachse möglichst proportional zu verteilen. Es kommt nicht selten vor, dass Fraktionen kein Interesse an solchen Kommissionspräsidien (kein sachliches Interesse, keine verfügbaren Personen etc.) zeigen, obschon sie Anspruch darauf erheben könnten. Wir schlagen aus Gründen der besseren Praktikabilität vor, dass die proportionale Zuteilung der Kommissionspräsi­dien entweder hievon ausgeklammert oder mit dem Zusatz \“nach Möglichkeit\“ versehen wird.

Art. 18 Abs. 2 GRG

Die SVP erachtet die Zusicherung eines festen Sitzes in den drei ständigen Kommis­sionen an die Deputation als problematisch. Die Fraktionen sollten in der Lage sein, die Deputation im Rahmen ihrer Sitzkontingente auf freiwilliger Basis an der Mitarbeit in den ständigen Kommissionen teilhaben zu lassen. Wir bevorzugen eine Formulie­rung, wie es das Bundesgesetz über die Bundesversammlung vorsieht: \“Soweit mög­lich werden die Amtssprachen und Landesgegenden angemessen berücksichtigt.\“ Im Übrigen ist festzuhalten, dass der jetzige Vorschlag weiter geht als die auf Bundes­ebene und im Kanton Wallis für die sprachlichen und regionalen Minderheiten ge­setzlich verankerten Lösungen.

Die Erfahrung zeigt, dass in den ständigen Kommissionen schon die Sitzzuteilung unter den Fraktionen zu Schwierigkeiten führt. Durch die Zusammenzählung der Sitze der Steuerungs- und der Oberaufsichtskommission (insgesamt 34 Sitze) zur Erlangung des Verteilers und die nachträgliche Mandatsverteilung können die Frakti­onen in diesen Gremien selten genau nach Proporzstärke abgebildet werden. Es wäre deshalb unverhältnismässig, wenn der Deputation je ein fester Sitz zugeteilt würde. Die Probleme bei der Konstituierung im Jahr 2006 sind dadurch entstanden, dass die drei nominierten Mitglieder der Deputation alle in der Oberaufsichtskommis­sion Einsitz nahmen. Im Übrigen wurde damals das gewünschte Erfordernis nach drei Sitzen für die Deputation auf freiwilliger Basis eingehalten. Die Tatsache, dass die Sitzgarantie bei Ersatzwahlen nicht gilt, unterstreicht die Problematik und Fragwürdigkeit der vorgesehenen Regelung.

Art. 19, 20, 20a, 20b, 21, 22, 23, 24, 25 GRG

Einverstanden, keine Bemerkungen

Art. 26 GRG

Im Interesse einer möglichst nachvollziehbaren Rechtsanwendung erachten wir die Variante 2 (sinngemässe Anwendung des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege) als richtig.

Art. 29 Abs. 1 GRG

Mit dem Vorschlag soll dem Regierungsrat für die Ermittlung des Sachverhaltes und die Beweiserhebung durch Parlamentarische Untersuchungskommissionen das Recht eingeräumt werden, den Befragungen von Personen beizuwohnen, Ergän­zungsfragen zu stellen und in Akten, Gutachten, Berichte und Einvernahmeprotokolle Einsicht zu nehmen. Bei den Parlamentarischen Untersuchungskommissionen zur Pensionskasse BLVK und insbesondere zur Finanzaffäre waren Handlungen (und Unterlassungen) des Regierungsrates wichtige Untersuchungsfelder. Verfügt der Regierungsrat grundsätzlich über diese Rechte, kann er sich laufend über den Stand und den Inhalt des Verfahrens informieren. Diese Sonderstellung erlaubt es ihm, parteitaktische Vorkehrungen zu seinem Vorteil zu treffen und damit laufend Einfluss auf die Untersuchungen zu nehmen. Mit einem Einsichtsrecht in Akten, Gutachten und Berichte für den Regierungsrat können wir uns einverstanden erklären, hingegen erachten wir die Möglichkeit zur Teilnahme an Befragungen und ein Einsichtsrecht in Einvernahmeprotokolle als zu weit gehend. Das Einsichtsrecht in Einvernahmeprotokolle kann dem Regierungsrat allenfalls mit dem Schlussbericht der PUK gewährt werden.

Art. 30a, 30b, 30c GRG

Einverstanden, keine Bemerkungen

Art. 30d GRG

Nach unserer Auffassung sollte der Variante 1 (Sekretariat der zuständigen Direktionen oder der Staatskanzlei) der Vorzug gegeben werden. Die Nutzung von Sachkenntnissen ist wichtiger einzustufen als eine grössere Unabhängigkeit des Sekretariats.

Art. 36 GRG

Einverstanden, keine Bemerkungen

Art. 45 Abs. 1 GRG

Grossratskommissionen sind heute bei der Beratung von Vorlagen ausgeprägt abhängig von den zuständigen Direktionen. Eine unabhängige Meinungsbildung über die Zweckmässigkeit und die Qualität von Entscheidungsgrundlagen ist dadurch erschwert. In dieser Hinsicht erachten wir eine Verbesserung als erforderlich. Die heutige Situation ist jedoch nicht als derart gravierend zu beurteilen, dass der Kommissionendienst vollständig oder zu einem wesentlichen Teil durch das Ratssekretariat erledigt werden müsste. Unseres Erachtens benötigen die Kommissionen jedoch im Bedarfsfall fachlichen Support, um Inhalt, Qualität und rechtliche Aspekte einer Vorlage aus einer unabhängigeren Position beurteilen zu können. Den Kommissionen sollte es gestattet sein, für solche spezifischen Fragen das Ratssekretariat oder aussenstehende Experten beiziehen zu können. Dafür besteht eine Rechtsgrundlage im bestehenden Art. 34 Abs. 1 lit e und f zum Beizug von Sachverständigen für Befragungen und Expertisen und von Delegationen interessierter Kreise. Hingegen schlagen wir in Bezug auf die Aufgaben des Ratssekretariats eine leichte Ergänzung der Minimalvariante vor. Art. 45 Abs. 1 lit b: die Beratung in Fragen des Vorgehens, der Expertensuche und des Rechts (und nicht nur Beratung in Fragen des Rechts).

Art. 50, 57, 57a, 57b, 57c, 57d GRG

Einverstanden, keine Bemerkungen

Art. 60 und 61 GRG

Wir unterstützen den Vorschlag, Berichte des Regierungsrates in Zukunft ohne wertende Zusatzstellungnahme (zustimmend oder ablehnend) zur Kenntnis zu nehmen. In der Praxis haben sich wertende Stellungnahmen nicht bewährt, da zwischen gewöhnlicher und zustimmender Kenntnisnahme kein fassbarer Unterschied zu eruieren ist und eine ablehnende Kenntnisnahme keine besondere Wirkung zeigt. Die Möglichkeit zu Planungserklärungen ist weiterhin gewährleistet.

Art. 62 GRG

Einverstanden, keine Bemerkungen

Art. 65 Abs. 4 GRG

Einverstanden. Mit der zusätzlichen Bestimmung kann eine gesetzgeberische Lücke zweckmässig geschlossen werden.

Art. 65c GRG

Einverstanden. Die neue Bestimmung klärt die (bisher nicht genau beantwortbare) Frage, welche Wirkung eine negative Schlussabstimmung am Ende der ersten Lesung hat. Sollte der Fall tatsächlich einmal eintreten, wird die Kommission ein negatives Schlussergebnis nach der ersten Beratung zu berücksichtigen haben. Der Vorschlag, dass die Vorlage, unabhängig vom Ergebnis der Gesamtabstimmung, zur Vorbereitung der zweiten Lesung an die vorberatende Kommission geht, ist sinnvoll und zweckmässig.

Art. 65d GRG

Einverstanden, keine Bemerkungen.

Art. 65e Abs. 1 und 2 GRG

Die neue Bestimmung betrifft die Frage, in welcher Rechtsform Anträge zu Kantonsreferenden, Standesinitiativen und Vernehmlassungen an Bundesbehörden zu stellen sind. Die neue Regelung sieht für solche Anträge künftig die Form von Grossratsbeschlüssen vor. Damit würden die Einwirkungsmöglichkeiten des Parlamentes in einem erheblichen Umfang eingeschränkt, da Kantonsreferenden, Standesinitiativen und Vernehmlassungen an Bundesbehörden mit Motionen nur noch formell ausgelöst werden könnten. Die geltende Regelung hat sich aus der Sicht des Grossen Rates bewährt. Für den Regierungsrat mag sie zwar mitunter unangenehm gewesen sein, da er an die Stellungnahme des Parlamentes gebunden ist. In der Vorlage des Regierungsrates sind unseres Erachtens keine plausiblen und hinreichenden Gründe erwähnt, die den Wechsel von der Motionsform (zur Auslösung entsprechender Anträge) zum Grossratsbeschluss rechtfertigten. Es ist nur summarisch von gewissen Unzulänglichkeiten bei der parlamentarischen Willensbildung und im Behördenverkehr die Rede.

Würde die neue Regelung eingeführt, ergäben sich in der Praxis für die Umsetzung aus zeitlichen Gründen grösste Schwierigkeiten: Kantonsreferenden und Vernehmlassungen an Bundesbehörden sind stets mit kurzen Fristen (3 bis 6 Monate) verbunden. Die Zeit reichte kaum aus, mit einer Motion einen Grossratsbeschluss zu verlangen und den entsprechenden Grossratsbeschluss vor Ablauf der Fristen durch das Parlament zu beraten. Durch die gleichzeitig vorgesehene Aufhebung von Art. 63 Abs. 5 des Grossratsgesetzes (Behandlung von dringlichen Motionen für Stellungnahmen an Bundesbehörden in der gleichen Session) wäre eine parlamentarische Beratung ohne Zeitverzug nicht mehr möglich. Dies würde dazu führen, dass der Grosse Rat bei Kantonsreferenden und Stellungnahmen an Bundesbehörden vor Ablauf der Fristen gar nicht mehr mitwirken könnte.

An einem fiktiven, aber realistischen Beispiel soll die Unzulänglichkeit des Vorschlages erläutert werden:

  1. Eröffnung eines auf drei Monate angesetzten Vernehmlassungsverfahrens des Bundes am 1. Oktober
  2. Einreichung dringliche Motion am Montag 1. Woche Novembersession
  3. Parlamentarische Behandlung der Motion in der Januarsession
  4. Behandlung eines Grossratsbeschlusses in der Märzsession

Das Beispiel zeigt, dass selbst ein auf sechs Monate angesetztes Verfahren kaum ausreichen würde, rechtzeitig eine parlamentarische abgestützte Vernehmlassung in der Form eines Grossratsbeschlusses abgeben zu können.

Wir lehnen deshalb die Neuformulierung aus grundsätzlichen Erwägungen und aus Gründen der fehlenden Praktikabilität von Art. 65e Abs. 1 und 2 ab.

Art. 68a, 68b, 68c, 68 d GRG

Einverstanden. Die Bestimmungen über die Wahlen und insbesondere das neu umschriebene Wahlerfordernis (Name mehr als auf der Hälfte der gültigen Wahlzettel aufgeführt) sind zweckmässig und nachvollziehbar geregelt. Eine gewisse Problematik haftet der unterschiedlich anzuwendenden Regeln über den Status von leeren Wahlzetteln an. Bei den Wahlen soll grundsätzlich die Bestimmung gelten, dass die leeren Wahlzettel nicht gezählt werden. Bei Wiederwahlen sollen demgegenüber Wahlzettel, auf denen alle Namen gestrichen werden, für die Berechnung des absoluten Mehrs berücksichtigt werden. Damit soll bei einem Einervorschlag auch die Nichtwahl möglich sein. Die neue Regel ist an sich interessant und durchaus begrüssenswert. Wir fragen uns allerdings, ob die unterschiedliche Handhabung von leeren Wahlzetteln in der Praxis nicht Probleme bietet.

Art. 16, 18, 24, 28, 31 Geschäftsordnung des Grossen Rates GO

Einverstanden, keine Bemerkungen

Art. 34a Abs. 1 GO

Gemäss unseren Bemerkungen zu Art. 17 Abs. 4 ist auf die proportionale Zuteilung der Kommissionspräsidien zu verzichten oder mit dem Zusatz %u201Enach Möglichkeit%u201C zu versehen.

Art. 40, 43a, 47, 49, 50 GO

Einverstanden, keine Bemerkungen

Art. 56 GO

In Analogie zu unseren Bemerkungen zu Art. 45 GRG sollte hier verankert werden, dass das Ratssekretariat bei der Beratung in Fragen des Vorgehens, der Expertensuche und des Rechts mitwirkt.

Art. 57, 60a GO

Einverstanden, keine Bemerkungen

Art. 63 Abs. 5 GO

Als Konsequenz unserer Bemerkungen zu Art. 65e Grossratsgesetz ist Absatz 5 beizubehalten.

Art. 64 und 68 GO

Die neue Regelung, wonach Vorstösse (beim Austritt der Urheberin oder des Urhebers aus dem Grossen Rat oder wenn der Vorstoss vier Jahre nach seiner Überweisung nicht umgesetzt ist) ohne Beschluss des Grossen Rates abgeschrieben werden können, lehnen wir ab. Nach unserer Auffassung sollten in beiden Fällen ein formeller Antrag des Regierungsrates und ein entsprechender Beschluss des Parlamentes erforderlich sein. Für die im Rat verbleibenden Mitglieder ist es nicht zumutbar, jederzeit den Überblick über hängige Vorstösse von ausgetretenen Ratsmitgliedern zu haben. Deshalb ist auch die Idee untauglich, dass ein anderes Mitglied des Grossen Rates in der ersten Woche der folgenden Session den Vorstoss eines ausgetretenen Ratsmitgliedes wieder aufnehmen kann. Ebenso sollte ein Vorstoss, der vier Jahre nach der Überweisung immer noch umgesetzt ist, nicht ohne formellen Beschluss abgeschrieben werden können. Die Umsetzung von parlamentarischen Vorstössen erfordert recht häufig eine Verlängerung der Behandlungsfristen um ein oder zwei Jahre und eine Zusatzverlängerung. Mit dem vorgeschlagenen Verfahren könnte sich der Regierungsrat allzu leicht ungeliebter Vorstösse entledigen. Wir lehnen beide Formulierungen ab.

Art. 70, Kapitel 5. und Art. 75 GO

Einverstanden, keine Bemerkungen.

Kapitel 6. und Art. 75a GO

Als Konsequenz unserer Ausführungen zu Art. 65e Grossratsgesetz verlangen wir die Beibehaltung von Kapitel 6. und von Art. 75a GO.

Art. 94a, 99, 100, 101, 102, 103, 105 GO

Einverstanden, keine Bemerkungen

Wir danken Ihnen für die Gelegenheit zur Stellungnahme und hoffen, dass Sie unsere Bemerkungen und Anträge aufnehmen werden.

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